Stents bei maligner Kolonstenose: eine sinnvolle Therapieoption?

Stents bei maligner Kolonstenose: eine sinnvolle Therapieoption?

Andreas W. Berger, Ulm

JAMA Surgery 2017; 152:429-435

ORIGINAL ARTICLE
Long-term Postprocedural Outcomes of Palliative Emergency Stenting vs Stoma in Malignant Large-Bowel Obstruction
Abelson JS1, Yeo HL2, Mao J3, Milsom JW1, Sedrakyan A3
1 Department of Surgery, Weill Medical College of Cornell University, New York-Presbyterian Hospital, New York; ² Department of Surgery, Weill Medical College of Cornell University, New York-Presbyterian Hospital, New York2Department of Healthcare Policy and Research, Weill Medical College of Cornell University, New York-Presbyterian Hospital, New York; ³ Department of Healthcare Policy and Research, Weill Medical College of Cornell University, New York-Presbyterian Hospital, New York.

Importance

Colonic stenting was introduced for palliation of malignant large-bowel obstruction (MLBO) more than 20 years ago but remains controversial.

Objective

To compare outcomes after palliative stenting vs stoma creation in patients with MLBO requiring emergency management.

Design, setting and participants

This observational cohort study assessed 345 patients from New York State with an urgent or emergency admission to the hospital for obstruction secondary to colorectal cancer and who underwent stenting or stoma creation from October 1, 2009, through December 31, 2013. Patients were excluded if they underwent resection within 1 year of the index admission.

Main outcomes and measures

Primary outcomes included subsequent operation and readmission within 90-day and 1-year follow-up. Secondary outcomes were in-hospital death, major medical and surgical complications, length of stay, total charges, and discharge dispositions. Multivariable hierarchical analyses and propensity score matching were used to compare outcomes between the exposure groups.

Results

The cohort included 345 patients (mean [SD] age, 69.9 [14.4] years in the stoma group and 70.9 [16.8] years in the stent group; 87 men [50.3%] in the stoma group and 90 [52.3%] in the stent group; and 114 non-Hispanic white patients [65.9%] in the stoma group and 90 [52.3%] in the stent group). Most patients undergoing stenting were treated at high-volume (104 [60.5%]) vs medium-volume (42 [24.4%]) or low-volume (26 [15.1%]) hospitals (P < .001). Patients undergoing stenting were significantly less likely to experience prolonged length of stay (odds ratio [OR], 0.50; 95%CI, 0.26-0.97; P = .04), more likely to be discharged to their usual residence (OR, 0.14; 95%CI, 0.07-0.28; P < .001), and tended to have similar or fewer complications (major events: OR, 0.81; 95%CI, 0.30-2.18; P = .68; procedural complications: OR, 0.57; 95%CI, 0.11-1.22; P = .10). There was no significant difference between the groups in terms of 90-day and 1-year readmission to the hospitals (90 days: OR, 0.93; 95%CI, 0.49-1.78; P = .83; 1 year: OR, 0.72; 95%CI, 0.38-1.37; P = .30). Subsequent operation at 90 days was also not different between the groups (OR, 1.34; 95% CI, 0.26-6.89; P = .72), but there was a higher chance of subsequent operation at 1 year after the stenting procedure (OR, 2.93; 95%CI, 1.12-7.68; P = .03), with most subsequent operations being restenting.

Conclusions and relevance

In patients with MLBO and if resection is not part of the treatment plan, stenting is safe and improves the efficiency of care with obvious quality-of-life benefits. It should be offered at experienced centers, and patients should be counseled regarding increased risk of subsequent stenting within 1 year.

Was Sie über das Paper wissen sollten

Das kolorektale Karzinom ist der dritthäufigste maligne Tumor weltweit mit ca. 1,4 Millionen neuer Fälle und 700.000 Todesfälle pro Jahr (1). Schätzungsweise 8% bis 29% der Patienten mit kolorektalem Karzinom weisen eine klinisch apparente maligne Dickdarmobstruktion (malignant large-bowel obstruction, MLBO) auf, welches ein rasches therapeutisches Handeln nach sich ziehen sollte (2). Darüber hinaus ist ein geschätztes Drittel der Patienten mit akuter MLBO keiner kurativen Resektion mehr zugängig (3). Traditionell erfolgt ein chirurgisches Management der akuten MLBO mit Stoma-Anlage und/oder Resektion, mit einer perioperativen Morbidität bis 46% und Mortalität bis 28% für jedes Verfahren (4-7). Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts starteten dann erste Untersuchungen zum Stellenwert selbstexpandierender Metallstents (SEMS) in der Therapie der MLBO (8). Darauf aufbauend haben in den vergangenen zehn Jahren eine Reihe von Studien die Option von SEMS zur Therapie der MLBO untersucht. Trotz anfänglich guter Daten für SEMS im Rahmen eines palliativen Therapiekonzeptes, wurde die Stimmung auf der Grundlage von 2 randomisierten klinischen Studien getrübt, die frühzeitig wegen einer unerwartet hohen Perforationsrate geschlossen wurden (9, 10). Allerdings berichtete eine jüngst hochkarätig publizierte kleine Studie über gute Ergebnisse im frühen Follw-up, die den Ansatz stützen, dass erfahrene endoskopisch tätige Ärzte gute Resultate erzielen können. Die Ergebniss liegen jedoch nur als Abstract, nicht als Vollpublikation vor, müssen daher mit Vorsicht interpretiert werden (11).

Die Datenlage und die Empfehlungen zu SEMS bei MLBO beim kolorektalen Karzinom sind nach wie vor kontrovers und die Studien in ihrer outcome-Analyse methodisch sehr heterogen. Die aktuelle ESGE-Leitlinie zum Management der MLBO formuliert die Empfehlungen folgendermaßen (Auszug aus (12)):

  1. Ein prophylaktisches Stenting ist nicht empfohlen! (starke Empfehlung, niedrige Evidenz)
  2. Chirurgie ist Therapie der ersten Wahl bei maligner Stenose im proximalen Kolon und kurativer Therapieintention (schwache Empfehlung, niedrige Evidenz)
  3. Stent ist eine Alternative bei maligner Linksseitenstenose, kurativer Therapieintention aber bei zu erwartender hoher perioperativer Komplikationsrate! (schwache Empfehlung, niedrige Evidenz)
  4. Die Therapie von MLBO mittels SEMS stellt das bevorzugte Therapiekonzept bei MLBO in der Palliation dar (starke Empfehlung, hohe Evidenz).
  5. Covered und uncovered stents sind gleichermaßen effektiv (hohe Evidenz)
  6. Keine generellen Limitationen bzgl. Grad (starke Empfehlung, niedrige Evidenz) und Länge (schwache Empfehlung, niedrige Evidenz) der malignen Obstruktion!

In der aktuell vorliegenden Observations-Kohorten-Studie wurde anhand von 345 Patienten mit MLBO im Rahmen eines kolorektalen Karzinoms (173 Patienten in der Stoma-Gruppe und 172 Patienten in der Stent-Gruppe) in den Jahren 2009 bis 2013 das outcome nach 90-Tagen und nach 1 Jahr (primäre Endpunkte) überprüft. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem Todesfälle im Krankenhaus und größere medizinische und chirurgische Komplikationen. Eingeschlossen wurden ausschließlich Patienten in einer palliativen Therapiesituation ihres kolorektalen Karzinoms. Die Daten wurden einer nationalen Datenbank entnommen (New York State Department of Health Statewide Planning and Research Cooperative System all-age-group, all payer database).

In der Stent-Gruppe verstarben signifikant weniger Patienten im Krankenhaus, verglichen mit der Stoma-Gruppe (11 [6.4%] vs. 22 [12.7%], P = 0.05), ebenso erhielten die Patienten der Stent-Gruppe weniger Transfusionen in der postprozeduralen Zeit (37 [21.5%] vs. 57 [32.9%], P = 0.02). Neben einer geringeren Rate an parenteraler Ernährung in der Stent-Gruppe (16 [9.3%] vs. 37 [17.9%], P = 0.02), hatten diese auch eine kürzere Klinikverweildauer (median, 10 vs. 13 Tage; P < 0.001) im Vergleich zur Stoma-Gruppe. Bezüglich stationärer Wiederaufnahmen innerhalb 90 Tagen und 1 Jahr gab es keinen Unterscheid zwischen beiden Gruppen. In der Stent-Gruppe gab es nach 1 Jahr allerdings mehr Re-Interventionen, verglichen mit der Stoma-Gruppe (23 [13.4%] vs. <11 [<6.4%], P = 0.004). Die meisten Patienten, die sich innerhalb eines Jahres nach Stent-Anlage einem Folgeeingriff unterziehen mussten erhielten einen neuen Stent (>70%). Die Rate an Perforationen war so gering (<10 Ereignisse), sodass darüber nicht dezidiert berichtet werden kann, so die Autoren.

Interessant ist, dass in den Jahren 2012 und 2013 mehr Patienten einer Stent-Therapie unterzogen wurden, als in den Jahren 2009 bis 2011 (101 [58.7%] vs 71 [41.3%], P = 0.003), was sicher dem technischen Fortschritt der SEMS entspricht.

Auch demografische und geografische Kriterien scheinen, gemäß den Studienergebnissen, einen Einfluss auf das individuelle outcome nach Stent- oder Stoma-Anlage zu haben: Die meisten Patienten, welche einer Stent-Anlage unterzogen wurden, wurden an großen Kliniken behandelt (104 [60.5%]), verglichen mit mittleren (42 [24.4%]) oder kleinen Häusern (26 [15.1%], P < 0.001). Patienten in der Stent-Gruppe lebten signifikant näher an großen (endoskopischen) Zentren, verglichen mit denen der Stoma-Gruppe (median [interquartile range], 4.5 [3.4-15.1] vs 9.5 [4.5-25.7] km, P < 0.001).

In einer folgenden „adjusted and matched“ Analyse bestätigten sich diese Daten. Patienten nach Stent-Anlage hatten eine signifikant kürzere Krankenhausverweildauer (odds ratio [OR], 0.50; 95% CI, 0.26-0.97; P = 0.04), signifikant weniger Todesfälle im Krankenhaus (OR, 0.40; 95% CI, 0.14-1.10; P = 0.08), weniger Transfusionen (OR, 0.57; 95% CI, 0.31-1.06; P = 0.07) oder parenterale Ernährung (OR, 0.44; 95%CI, 0.19-1.00; P = 0.05) verglichen mit der Stoma-Gruppe. Dies schlug sich ebenso auf die entstandenen Behandlungskosten nieder (OR, 0.56; 95% CI, 0.29- 1.11; P = 0.09). Hinsichtlich der Wiederaufnahme nach 90 Tagen und 1 Jahr gab es auch hier keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Patienten nach Stent-Anlage hatten jedoch häufiger Folgeeingriffe innerhalb eines Jahres (OR, 2.93; 95%CI, 1.12-7.68; P = 0.03), was in >70% der Fälle jedoch eine Stent-Neuanlage bzw. -Lagekorrekur war.

Trotz dieser vielversprechenden Daten hinsichtlich das Langzeit-outcomes nach Stent-Therapie bei MLBO hat die Studie einige Limitationen. Innerhalb dieser Studie wurden 3032 Patienten in den Jahren 2009-2013 gescreent bzw. in der Datenbank identifiziert. In die finale Analytik flossen jedoch nur etwas mehr als 10% dieser Patienten ein (gesamt: 354 Patienten). Ein gewisser Selektions-Bias ist hier also nicht unwahrscheinlich. Außerdem fehlen in der Studie sämtliche Angaben zur Tumorgröße und zum Abstand nach aboral, was bei einer Datenbankanalyse die Leserin/den Leser schon verwundern muss. Auf die gesamtdeutsche Versorgungslandschaft sind die Studienergebnisse ohnehin nicht ausweitbar, da etwa 60% der Patienten in der Studie (Stent-Gruppe!) in high-volume Zentren behandelt wurden, was bedeutet, dass die Ergebnisse stark auf erfahrenere Endoskopiker gewichtet werden.

Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass bei Patienten mit MLBO im Rahmen eines kolorektalen Karzinoms, die für eine kurative Resektion nicht eligibel sind, die SEMS-Anlage im Kolon eine sichere und effiziente Therapieoption darstellt. In erfahrenen Zentren, wo letztendlich die meisten Stent-Anlage bei MLBO durchgeführt werden, sind Perforationsraten niedrig und die Langzeitergebnisse mehr als zufriedenstellend. Auch die Autoren weisen darauf hin, dass die Patienten auf die erhöhte Gefahr einer erneuten Intervention hingewiesen und beraten werden sollen.

Literatur

  1. Ferlay J, Soerjomataram I, Dikshit R, Eser S, Mathers C, Rebelo M, et al. Cancer incidence and mortality worldwide: sources, methods and major patterns in GLOBOCAN 2012. Int J Cancer. 2015;136(5):E359-86.
  2. Deans GT, Krukowski ZH, Irwin ST. Malignant obstruction of the left colon. Br J Surg. 1994;81(9):1270-6.
  3. Varadarajulu S, Roy A, Lopes T, Drelichman ER, Kim M. Endoscopic stenting versus surgical colostomy for the management of malignant colonic obstruction: comparison of hospital costs and clinical outcomes. Surg Endosc. 2011;25(7):2203-9.
  4. Anderson JH, Hole D, McArdle CS. Elective versus emergency surgery for patients with colorectal cancer. Br J Surg. 1992;79(7):706-9.
  5. Mulcahy HE, Skelly MM, Husain A, O’Donoghue DP. Long-term outcome following curative surgery for malignant large bowel obstruction. Br J Surg. 1996;83(1):46-50.
  6. Runkel NS, Schlag P, Schwarz V, Herfarth C. Outcome after emergency surgery for cancer of the large intestine. Br J Surg. 1991;78(2):183-8.
  7. Canivet JL, Damas P, Desaive C, Lamy M. Operative mortality following surgery for colorectal cancer. Br J Surg. 1989;76(7):745-7.
  8. Baron TH. Expandable gastrointestinal stents. Gastroenterology. 2007;133(5):1407-11.
  9. van Hooft JE, Bemelman WA, Oldenburg B, Marinelli AW, Lutke Holzik MF, Grubben MJ, et al. Colonic stenting versus emergency surgery for acute left-sided malignant colonic obstruction: a multicentre randomised trial. Lancet Oncol. 2011;12(4):344-52.
  10. Pirlet IA, Slim K, Kwiatkowski F, Michot F, Millat BL. Emergency preoperative stenting versus surgery for acute left-sided malignant colonic obstruction: a multicenter randomized controlled trial. Surg Endosc. 2011;25(6):1814-21.
  11. Hill J KC, Morton D, et al. . CREST: randomised phase III study of stenting as a bridge to surgery in obstructing colorectal cancer: results of the UK ColoRectal Endoscopic Stenting Trial (CREST). J Clin Oncol. 2016;43(suppl): abstract 3507.
  12. van Hooft JE, van Halsema EE, Vanbiervliet G, Beets-Tan RG, DeWitt JM, Donnellan F, et al. Self-expandable metal stents for obstructing colonic and extracolonic cancer: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Clinical Guideline. Endoscopy. 2014;46(11):990-1053.

Ähnliche Beiträge

VOR
Nach oben scrollen